Bitter, Konow: Bekanntgabe und Widerspruchsfrist bei Verkehrszeichen NJW 2001 Heft 19 1386 Nächster Seitenumbruch

Bekanntgabe und Widerspruchsfrist bei Verkehrszeichen*

Wiss. Assistent Dr. Georg Bitter und Wiss. Mitarbeiter Christian Konow, Bonn

Der Beitrag tritt neueren Tendenzen in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung und in der Literatur entgegen, die der Entscheidung BVerwGE 102, 316 = NJW 1997, 1021, entnehmen wollen, dass die Widerspruchsfrist bei Verkehrszeichen generell ein Jahr nach deren Aufstellung endet. Eine solche Position ist mit der Rechtsprechung des BVerwG unvereinbar und begegnet zudem erheblichen dogmatischen und verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Autoren stellen dem einen neuen Ansatz für die Bekanntgabe von Verkehrszeichen gegenüber, der sich an den zivilrechtlichen Grundsätzen für den Zugang von Willenserklärungen orientiert.

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I. Einführung

In zwei Judikaten aus dem Jahre 1999 hat der VGH Kassel in Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung entschieden, dass die Möglichkeit zur Anfechtung eines Verkehrszeichens in aller Regel ein Jahr nach dessen Aufstellung endet1. Für den Beginn der Anfechtungsfrist soll es nicht mehr auf den Zeitpunkt ankommen, in dem der Verkehrsteilnehmer das Verkehrszeichen erstmals zur Kenntnis nimmt oder in den Sichtbereich desselben gelangt2. Eine Person, die erst zwei oder drei Jahre nach Aufstellung eines Verkehrszeichens ihren Wohnsitz verlegt und damit erstmalig von einer bestimmten Verkehrsregelung - zum Beispiel der Anordnung einer Anwohnerparkzone oder einer Geschwindigkeitsbeschränkung - Kenntnis erlangt, hat nach dieser Rechtsprechung im Grundsatz keinerlei Möglichkeit mehr, sich gegen die Regelung zur Wehr zu setzen, selbst wenn diese rechtswidrig ist und den Betroffenen in eigenen Rechten verletzt3.

Der VGH Kassel versteht seine neue Rechtsprechung als - so wörtlich4 - „Fortführung von BVerwGE 102, 316 = NJW 1997, 1021“, einer Entscheidung, die sich mit der Bekanntgabe von Verkehrszeichen, nicht aber mit der Widerspruchsfrist befasst. Auch in der sonstigen Rechtsprechung der Instanzgerichte5 sowie in der Literatur6 finden sich neuerdings Ansätze, die unter Berufung auf dieselbe Entscheidung des BVerwG die Anfechtungsmöglichkeit stark einschränken, indem sie die Widerspruchsfrist auf ein Jahr ab Aufstellung des Verkehrszeichens begrenzen. Diese neuen Tendenzen stellen in Wirklichkeit keine Fortführung, sondern eine Fehlinterpretation des Urteils des BVerwG dar (s. unten II)7, die zudem dogmatischen und verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt ist (s. unten III). Die Bekanntgabe von Verkehrszeichen und die daran anknüpfende Frage des Beginns der Widerspruchsfrist können nicht schematisch nach dem Zeitpunkt des Aufstellens von Verkehrszeichen, sondern auf Basis der alten sowie der neuen Rechtsprechung des BVerwG nur wertend im Sinne einer angemessenen Verteilung des Bekanntgaberisikos beurteilt werden (s. unten IV).

II. Die Rechtsprechung des BVerwG zur Bekanntgabe von Verkehrszeichen und ihre Fehlinterpretation durch den VGH Kassel

Seit einer Leitentscheidung des BVerwG aus dem Jahre 19678 qualifizieren die ständige Rechtsprechung9 sowie die mittlerweile ganz herrschende Lehre10 Verkehrszeichen als Verwaltungsakte in Form von Allgemeinverfügungen. Das BVerwG ging in BVerwGE 27, 181, davon aus, dass die in einem Verkehrszeichen verkörperte Anordnung dem Verkehrsteilnehmer bei dessen erstmaligem Herannahen bekannt gegeben werde und ihm gegenüber solange fortwirke, wie das Verkehrszeichen bestehen bleibt. Komme der Verkehrsteilnehmer mit dem Verkehrszeichen erneut in Berührung, so ergehe lediglich eine so genannte wiederholende Verfügung11. In BVerwGE 59, 221, wurde diese Rechtsprechung im Grundsatz bestätigt. Betroffen von der im Verkehrszeichen verkörperten Anordnung sei ein Verkehrsteilnehmer dann, „wenn er sich (erstmalig) der Regelung des Verkehrszeichens gegenübersieht“; damit beginne für ihn die Anfechtungsfrist zu laufen. Nicht entschieden hat das BVerwG dabei allerdings, ob während der Dauer der Aufstellung des Verkehrszeichens von einer dauernden Bekanntgabe der darin verkörperten Anordnung, von einer wiederholenden Verfügung oder von dem fortlaufenden Neuerlass des Verwaltungsakts auszugehen sei12. In BVerwGE 102, 316 (318), hat das BVerwG nunmehr - wie zuvor bereits das OVG Münster13 - festgestellt, dass die Bekanntgabe des Verwaltungsakts nach den bundesrechtlichen Vorschriften der Straßenverkehrsordnung durch Aufstellen des Verkehrsschildes erfolge. Dies stelle eine besondere Form der öffentlichen Bekanntgabe dar, wobei ausdrücklich offen gelassen wird, ob es sich um die öffentliche Bekanntgabe eines nicht schriftlichen Verwaltungsakts gem. § 41 III VwVfG handelt oder die Spezialregelungen der Straßenverkehrsordnung den § 41 VwVfG insgesamt verdrängen (vgl. § 1 II 1 VwVfG). Seien Verkehrszeichen so aufgestellt oder angebracht, dass sie ein durchschnittlicher Kraftfahrer bei Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt schon „mit einem raschen und beiläufigen Blick“ erfassen kann, so äußerten sie ihre Rechtswirkung gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer, und zwar unabhängig davon, ob dieser das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht14.

In dem zu Grunde liegenden Sachverhalt ging es um das Kostenrisiko einer Abschleppmaßnahme in einem der typischen Fälle, in denen ein mobiles Halteverbotsschild (Zeichen 283 nach § 41 II Nr. 8 StVO) in einer öffentlichen Straße - zum Beispiel zur Durchführung von Bauarbeiten oder eines Straßenfestes - aufgestellt wird, nachdem das Fahrzeug dort abgestellt wurde (sog. Wanderschilder). Die Heranziehung des Halters für die Kosten des Abschleppvorgangs im Wege der Ersatzvornahme15 setzt voraus, dass das Halteverbot („Du sollst nicht halten“) und insbesondere das darin nach herrschender Meinung zugleich

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liegende Wegfahrgebot („Entferne Dein Fahrzeug“)16 dem Halter wirksam bekannt gegeben worden ist17. Denn nur dann läge ein analog § 80 II Nr. 2 VwGO sofort vollziehbarer18 Verwaltungsakt vor, der Grundlage der für den Adressaten kostenpflichtigen Verwaltungsvollstreckung ist.

In eben diesem rechtlichen Zusammenhang finden sich die oben angeführten Äußerungen des BVerwG, in denen es auf die tatsächliche Wahrnehmung des Verkehrsschildes durch den Verkehrsteilnehmer verzichtet. Entgegen der Ansicht des VGH Kassel ist damit nicht etwa die bisherige Rechtsprechung des BVerwG grundlegend geändert worden; vielmehr geht das Gericht weiterhin von dem Grundsatz aus, dass die im Verkehrszeichen verkörperte Anordnung dem jeweiligen Verkehrsteilnehmer erst dann bekanntgegeben wird, wenn er von ihr betroffen ist. Dies zeigt sich zum einen an dem ausdrücklichen Hinweis auf die „Betroffenheit“19 des Verkehrsteilnehmers, zum anderen an der klarstellenden Bezugnahme auf die bisherige Rechtsprechung20. Das BVerwG spricht ausdrücklich davon, dass seine neue Rechtsprechung zur Bekanntgabe von Verkehrszeichen nicht in Widerspruch zu BVerwGE 59, 221 (226), stehe, wonach ein Verkehrsteilnehmer von dem Verwaltungsakt erst dann betroffen wird, „wenn er sich (erstmalig) der Regelung des Verkehrszeichens gegenübersieht“. Mit dieser Formulierung habe nämlich nicht zum Ausdruck gebracht werden sollen, dass die Wirksamkeit des Verkehrszeichens von der subjektiven Kenntnisnahme des Verkehrsteilnehmers abhängt21. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass das BVerwG im Übrigen an seiner früheren Bekanntgabedefinition festhalten will.

Gegen die Sichtweise des VGH Kassel spricht weiterhin die vom BVerwG jetzt für maßgeblich erklärte Einordnung des Betroffenen als „Verkehrsteilnehmer“: Verkehrsteilnehmer „und somit Adressat der durch das Verkehrszeichen getroffenen Anordnung“ sei nicht nur derjenige, der sich im Straßenverkehr bewegt, sondern „auch der Halter eines am Straßenrand geparkten Fahrzeugs, solange er (…) Inhaber der tatsächlichen Gewalt über das Fahrzeug ist“22. Das Verkehrszeichen soll damit gerade nicht - wie es bei einem verkündeten Gesetz oder einer Verordnung der Fall ist - gegenüber jedermann wirksam werden, sondern nur gegenüber denjenigen Personen, die von dem Verkehrszeichen - im konkreten Fall wegen der Inhaberschaft der tatsächlichen Gewalt über ein Fahrzeug - hätten Kenntnis nehmen können23. Während die vom VGH Kassel vorgenommene Interpretation zu der absurden Annahme führt, dass ein zum Beispiel in München aufgestelltes Halteverbotsschild oder eine Geschwindigkeitsbeschränkung auch einer in Hamburg befindlichen Person bekanntgegeben wird, differenziert das BVerwG danach, ob die Person ein von dem Verkehrszeichen betroffener Verkehrsteilnehmer ist oder nicht.

Hätte das BVerwG die vom VGH Kassel unterstellte weit reichende Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung beabsichtigt, wäre zudem anzunehmen, dass es sich mit den hierzu vertretenen Positionen in Rechtsprechung und Literatur eingehend auseinandergesetzt und die Änderung in den Leitsätzen deutlich gemacht hätte. Dass eben dies nicht geschehen ist, spricht eindeutig für eine nur klarstellende Entscheidung. Die danach von BVerwGE 102, 316, allein getroffene Aussage, dass es für die Bekanntgabe nicht auf die subjektive Wahrnehmung des Verkehrszeichens durch den jeweiligen Verkehrsteilnehmer ankommt24, ist für sich genommen keinesfalls revolutionär. Sie spiegelt vielmehr einen im Zivilrecht seit langem anerkannten Standpunkt wieder, wonach es für den Zugang einer Willenserklärung nicht entscheidend auf die tatsächliche Wahrnehmung, sondern auf die - im einzelnen näher zu definierende - Möglichkeit der Kenntnisnahme durch den Empfänger ankommt25. Damit geht es - wie auch im Zivilrecht - allein um eine sachgerechte Verteilung des Zugangs- bzw. hier: Bekanntgaberisikos (dazu näher unten IV).

III. Rechtswidrigkeit der Bekanntgabedefinition des VGH Kassel

Die neue Bekanntgabedefinition des VGH Kassel widerspricht aber nicht nur BVerwGE 102, 316. Sie ist zudem aus dogmatischen sowie aus verfassungsrechtlichen Erwägungen nicht haltbar.

1. Dogmatische Erwägungen

a) Verkehrszeichen als Verwaltungsakte mit personalem Charakter. Die Verwaltungsaktsqualität von Verkehrszeichen wird damit begründet, dass sie sich auf eine konkrete örtliche Verkehrssituation beziehen26. Es handelt sich demnach um Regelungen der Benutzung einer Sache durch die Allgemeinheit gem. § 35 S. 2 Alt. 3 VwVfG27. Teilweise wird hieraus nun allerdings gefolgert, Verkehrszeichen seien dingliche Verwaltungsakte und daher adressatenlos. Ebenso wie die Widmung einer Straße dem jeweiligen Verkehrsteilnehmer nicht erst kurz vor ihrer Benutzung bekanntgegeben werde, würden auch Verkehrszeichen bereits mit dem Aufstellen bekannt gegeben; wann der Verkehrsteilnehmer von ihnen erstmals Kenntnis nehme bzw. nehmen könne, sei demgegenüber unbeachtlich28.

Der Vergleich mit der straßenrechtlichen Widmung vermag indes nicht zu überzeugen: Straßenverkehrsrechtliche Regelungen können auf verschiedene Weise erfolgen. Denkbar sind zunächst Anordnungen eines Polizeibeamten gem. § 36 StVO, sodann veränderbare Verkehrszeichen (z.B. mobile Verkehrsschilder nach § 39 IIa StVO oder elektronisch gesteuerte Richtungs- und Fahrverbotszeichen, die sich dem konkreten Verkehrsaufkommen anpassen, gem. § 37 III StVO) und schließlich ortsfeste Verkehrsschilder

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gem. § 39 I, II StVO. Bei einem vom Polizeibeamten angeordneten Halteverbot käme wohl niemand auf den Gedanken, dieses als adressatenlos zu bezeichnen. Ob ein Halteverbot vom Polizeibeamten, einem veränderbaren Verkehrszeichen oder einem ortsfesten Verkehrsschild signalisiert wird, kann in rechtlicher Hinsicht indes keinen Unterschied machen. Vielmehr ist eine Gleichbehandlung sämtlicher verkehrsregelnder Anordnungen geboten29, die auch von der StVO einheitlich im zweiten Kapitel zusammengefasst werden.

Es handelt sich bei den Verkehrszeichen jeweils um Verwaltungsakte mit - zumindest auch - personalem Charakter. Adressat können dabei überhaupt nur diejenigen Verkehrsteilnehmer sein, für welche die im Verkehrszeichen verkörperte Anordnung Geltung entfalten will; nur sie sind von ihr betroffen. Ein Beispiel vermag dies zu verdeutlichen: Ein Halteverbot in der Bonner X-Straße richtet sich nur an Personen, welche dort gerade parken wollen, nicht jedoch an alle potenziellen Verkehrsteilnehmer der Erde oder an Personen, die gar keine Verkehrsteilnehmer sind. Nur gegenüber den konkret betroffenen Verkehrsteilnehmern besteht ein Bekanntgabewille der Straßenverkehrsbehörde30. Dagegen definiert die Widmung die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache (z.B. der X-Straße als Bundesstraße). Es handelt sich bei ihr um einen so genannten adressatenlosen Verwaltungsakt gem. § 35 S. 2 Alt. 2 VwVfG. Die Rechtsfolgen der Widmung ergeben sich dann direkt aus dem Gesetz (vgl.z.B. § 7 FStrG); sie brauchen dem Betroffenen nicht gesondert bekannt gegeben zu werden.

b) Bekanntgabe bei vorübergehender Unkenntlichkeit des Verkehrszeichens.

Die vom VGH Kassel postulierte Bekanntgabe an jedermann im Zeitpunkt der Aufstellung des Verkehrszeichens kann auch deshalb nicht richtig sein, weil sie die bisher anerkannten Rechtsfolgen bei vorübergehender Unkenntlichkeit des Verkehrszeichens durch Schmutz, Schnee, Korrosion oder Laub nicht erklären kann. Konnte das Verkehrszeichen aus den genannten Gründen auch vom aufmerksamen (§ 1 StVO) Verkehrsteilnehmer nicht erkannt werden, geht die bisherige Rechtsprechung von einer fehlenden Bekanntgabe aus31. Damit kann beispielsweise ein von Ästen verdecktes Parkverbotsschild keine Wirkung gegenüber dem parkenden Verkehrsteilnehmer erlangen und somit auch keine Verhaltenspflichten auslösen. Wäre nun aber die Ansicht richtig, wonach das Verkehrszeichen jedem auch nur potenziellen Verkehrsteilnehmer bereits im Zeitpunkt der Aufstellung bekanntgegeben worden ist, ließe sich rechtlich nicht begründen, warum die im Verkehrszeichen verkörperte Regelung später keine Verhaltenspflicht des betroffenen Verkehrsteilnehmers auslösen soll.

Zur Vermeidung der eigentlich konsequenten, aber unerwünschten Rechtsfolgen wird nun allerdings der Versuch unternommen, für die Dauer der Nicht-Erkennbarkeit von einer temporären Unwirksamkeit auszugehen32. Diese in der Begründung angreifbare33 Hilfskonstruktion zeigt jedoch nur, dass die Annahme universeller Bekanntgabe unrichtig ist. Vielmehr kommt es auf eine Bekanntgabe des Verkehrszeichens in der konkreten Situation an, in der sich der Verkehrsteilnehmer der einzelnen Regelung gegenübersieht und deshalb von ihr betroffen ist. Die Gegenansicht muss sich insbesondere auch fragen lassen, ob die angeblich einjährige Widerspruchsfrist ab Aufstellung des Verkehrszeichens durch eine derartige „vorübergehende Unwirksamkeit“ gehemmt oder unterbrochen werden soll. Wollte man dies nicht zulassen, wäre ein Schild, das schon wenige Wochen nach seinem Aufstellen von Bäumen oder Sträuchern verdeckt und nicht mehr freigeschnitten worden ist, ebenfalls nur ein Jahr angreifbar. Oder wie wäre es mit der unliebsamen Verkehrsregelung, die die Behörde dadurch bestandskräftig macht, dass sie das Verkehrszeichen kurz nach dem Aufstellen mit Folie überdeckt und diese erst nach einem Jahr entfernt. Soll auch hier der Widerspruch nach Ablauf der Jahresfrist ausgeschlossen sein?

Diese hier nur hypothetisch angestellten Erwägungen zeigen, dass die Bekanntgabe gegenüber jedermann im Zeitpunkt der Aufstellung nicht mit der Verwaltungsaktsqualität von Verkehrszeichen vereinbar ist. Es muss deshalb auf die Bekanntgabe gegenüber dem einzelnen Verkehrsteilnehmer ankommen, die dann jeweils die Widerspruchsfrist von einem Jahr auslöst, unabhängig davon, ob das Verkehrszeichen später temporär unkenntlich wird oder nicht.

2. Verfassungsrechtliche Erwägungen

Die neue Bekanntgabedefinition des VGH Kassel verstößt zudem gegen die Rechtsweggarantie des Art. 19 IV GG34. Dieses Grundrecht verbietet den Rechtswegausschluss bei der Verletzung subjektiver Rechte durch die öffentliche Gewalt; Rechtswegzugangsbeschränkungen dürfen dagegen normiert werden, soweit sie zumutbar und aus Sachgründen gerechtfertigt sind35. Die im Verkehrszeichen verkörperten Verkehrsregelungen schränken den jeweiligen Verkehrsteilnehmer zumindest in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit gem. Art. 2 I GG ein: Zwar muss der Bürger das öffentliche Sachenrecht regelmäßig so hinnehmen, wie er es vorfindet. Er hat weder einen Anspruch auf Widmung einer Fläche für den öffentlichen Verkehr noch auf Aufrechterhaltung einer bestehenden Widmung36. Ist eine Fläche allerdings dem öffentlichen Verkehr gewidmet, so erweitert der Staat damit die Freiheitssphäre des Einzelnen. Dieser hat jetzt einen grundrechtlich geschützten Anspruch auf widmungsgemäße Nutzung, also auf Gemeingebrauch. Jede Einschränkung

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des Gemeingebrauchs kann ihn in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 I GG verletzen37. Damit besteht bei einem Verkehrszeichen - anders als bei der Widmung - regelmäßig die Möglichkeit38 einer Rechtsverletzung durch die öffentliche Gewalt, so dass der Schutzbereich des Art. 19 IV GG betroffen ist39.

Ist die Widerspruchsfrist gem. §§ 70, 58 II VwGO abgelaufen, hat der Betroffene keine rechtliche Handhabe mehr gegen die ihn belastende Verkehrsregelung. Bei der Bestandskraft von Verwaltungsakten handelt es sich zwar grundsätzlich um eine zulässige Rechtswegzugangsbeschränkung40. Sie beruht auf dem Gedanken, dass jedermann für die Wahrung seiner Rechte selbst verantwortlich ist und ein Verstoß gegen die Widerspruchs- und Anfechtungsobliegenheit sich deshalb rechtsmindernd auswirken darf41. Das der Rechtsordnung immanente Rechtssicherheits- und Bestandserhaltungsinteresse rechtfertigt dabei die Einschränkung des Rechtsschutzes. Die Folgen der Bestandskraft sind aber nur dann gerechtfertigt, wenn die Versäumung der eigenen Rechtsverteidigung dem Betroffenen zurechenbar ist; ansonsten ist Art. 19 IV GG verletzt42. Würde die verkehrsrechtliche Anordnung mit dem Aufstellen des Verkehrsschildes universell bekanntgegeben, begänne damit für jedermann die einjährige Widerspruchsfrist gem. §§ 70, 58 II VwGO zu laufen. Ein Verkehrsteilnehmer, welcher erst ein Jahr nach Aufstellung erstmalig mit dem Verkehrsschild in Kontakt kommt, hätte dann keine Möglichkeit mehr, sich dagegen gerichtlich zur Wehr zu setzen (vgl. schon oben I)43. Die Versäumung der eigenen Rechtsverteidigung wäre ihm aber nicht zurechenbar, da er als potenzieller Verkehrsteilnehmer (= jedermann) weder die Möglichkeit noch eine Veranlassung hatte, sämtliche in der Bundesrepublik Deutschland neu aufgestellten Verkehrsschilder daraufhin zu prüfen, ob sie seine Rechte möglicherweise einmal verletzen werden, wenn er sich der Regelung konkret gegenübersieht.

Zweifelhaft ist auch, ob der potenzielle Verkehrsteilnehmer in der Zeit vor Ablauf der vom VGH Kassel postulierten Jahresfrist überhaupt widerspruchsbefugt wäre, da er mit der Verkehrsregelung noch nicht in Berührung gekommen ist und es ihm daher an der gem. § 42 II VwGO notwendigen Möglichkeit einer Rechtsverletzung fehlen könnte. Dagegen müsste man wohl auf der Basis der neuen Rechtsprechung des VGH Kassel argumentieren, dass das Verkehrszeichen jedem auch nur potenziellen Verkehrsteilnehmer bekannt gegeben worden ist und deshalb nach der so genannten Adressatentheorie44 die Widerspruchsbefugnis analog § 42 II VwGO nicht verneint werden kann. Dies würde wiederum zu absurden Konsequenzen führen, weil dann ein Bürger in Hamburg gegen ein in Hessen, Bayern oder Sachsen aufgestelltes Verkehrsschild Anfechtungsklage mit der Begründung erheben könnte, dass ihm dieses bekannt gegeben wurde und er deshalb von der Regelung betroffen sei45. Wollte man dem Bürger hier die Widerspruchsbefugnis absprechen - und es bleibt abzuwarten, wie sich der VGH Kassel zu derartigen Klagen stellen wird - läge in der neuen Rechtsprechung des VGH Kassel nicht nur eine Rechtswegzugangsbeschränkung, sondern ein unzulässiger Rechtswegausschluss, weil dem Betroffenen zu keinem Zeitpunkt der Rechtsweg gegen den ihn belastenden Verwaltungsakt eröffnet wird.

Der Verstoß gegen die Rechtsweggarantie erweist sich speziell in den Fällen von Halte- und Parkverboten als eklatant, wenn man die darin zugleich liegende Gebotsverfügung berücksichtigt, das Fahrzeug von der mit dem Verbot gekennzeichneten Fläche zu entfernen46. Da die Gebotsverfügung einen Vollstreckungstitel der Behörde darstellt, welcher im Wege des Verwaltungszwangs durchgesetzt werden kann47, liefe der neue Bekanntgabebegriff des VGH Kassel darauf hinaus, dass die Behörde gleichsam auf Vorrat bestandskräftige Vollstreckungstitel gegen jede Person erhält, die - ein Jahr nach Aufstellung des Verkehrsschildes - verbotswidrig hält bzw. parkt48.

IV. Sachgerechte Verteilung des Bekanntgaberisikos auf der Basis der Rechtsprechung des BVerwG

Ist damit festgestellt, dass die neue Entscheidungspraxis des VGH Kassel nicht nur der Rechtsprechung des BVerwG widerspricht, sondern auch rechtsdogmatisch und verfassungsrechtlich nicht haltbar ist, soll abschließend ein Neuansatz für die Bekanntgabe von Verkehrszeichen unterbreitet werden, der sich an den Grundsätzen von BVerwGE 102, 316, orientiert und auf einer sachgerechten Verteilung des Bekanntgaberisikos aufbaut. Hierbei ist zwischen einer Bekanntgabe gegenüber dem Fahrer und einer solchen gegenüber dem Halter eines Kfz zu unterscheiden.

1. Bekanntgabe gegenüber dem Fahrer

Die Bekanntgabe einer Verkehrsregelung gegenüber dem Fahrer ist unproblematisch, wenn er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrgenommen hat. Allerdings ist die subjektive Wahrnehmung nicht notwendig49. Hinreichend ist vielmehr - und insoweit wird die Rechtslage durch BVerwGE 102, 316, klargestellt -, dass der Fahrer das Verkehrszeichen bei sorgfältigem Verhalten hätte erkennen können50. Der Fahrer kann sich also beispielsweise nicht darauf berufen, dass er bei Passieren des Verkehrsschildes gerade abgelenkt war oder dass er von der Gegenrichtung her in die Halteverbotszone eingefahren ist, vor dem Halteverbotsschild gewendet und dieses daher nicht

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wahrgenommen hat51. In allen diesen Fällen ist das Bekanntgaberisiko eindeutig dem betroffenen Fahrer zuzuschreiben, weil die fehlende tatsächliche Kenntnisnahme des Verkehrsschildes - wie beim Zugang einer Willenserklärung (s.o.II) - in seinen Verantwortungs- und Machtbereich fällt.

Problematisch erscheint dagegen die der Entscheidung BVerwGE 102, 316, zu Grunde liegende Sachverhaltskonstellation, in der ein Fahrer sein Fahrzeug erlaubterweise im öffentlichen Verkehrsraum parkt, sich dann für längere Zeit entfernt und die Behörde währenddessen mobile Halte- bzw. Parkverbotsschilder aufstellt52. Das BVerwG begnügt sich hier für die Bekanntgabe des Verkehrszeichens mit der Feststellung, dass auch derjenige, dessen Fahrzeug am Straßenrand parkt, Verkehrsteilnehmer und demzufolge Adressat des Verkehrszeichens sei (s.o.II)53. Nach einer zuvor ergangenen Entscheidung des OVG Münster hat die Fortdauer der Eigenschaft als Verkehrsteilnehmer und die damit einhergehende Fortdauer der Sorgfaltspflichten des § 1 StVO bei einem Dauerparker zur Folge, dass das Verkehrszeichen ihm gegenüber ungeachtet seiner örtlichen Abwesenheit bekanntgegeben wird54. Eine abweichende Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum verneint in diesem Fall hingegen eine Bekanntgabe mit der Begründung, der ortsabwesende Dauerparker habe bereits keine Möglichkeit zur Kenntnisnahme des Verkehrszeichens gehabt55.

Bedeutsam ist die Bekanntgabe in den Fällen der so genannten Wanderschilder weniger für die zuvor angesprochene Frage des wirksamen Rechtsschutzes gem. Art. 19 IV GG. Denn der Fahrer wird in der Regel spätestens dann von dem Verkehrszeichen Kenntnis erlangen, wenn er zu dem Standort seines Fahrzeugs zurückkehrt und dieses nicht mehr vorfindet, weil es zwischenzeitlich abgeschleppt wurde. Die einjährige Widerspruchsfrist dürfte hier selten abgelaufen sein. Bedeutung hat die Frage der Bekanntgabe vielmehr für die auch in BVerwGE 102, 316, zur Debatte stehende Pflicht zur Tragung der Abschleppkosten. Würde es an einem wirksamen Grundverwaltungsakt gegenüber dem Fahrer fehlen, wäre eine Ersatzvornahme mit der daran anknüpfenden Kostenpflicht nicht möglich. Die Behörde könnte dann nur auf Grund der jeweiligen polizeilichen/ordnungsbehördlichen Generalklausel in Verbindung mit dem Rechtsinstitut der unmittelbaren Ausführung oder des Sofortvollzugs56 vorgehen. Die jeweils erforderliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit ließe sich dann jedoch nicht schon aus einem Verstoß gegen das Halteverbot herleiten, da die im Verkehrszeichen liegende Regelung gerade noch nicht wirksam bekanntgegeben worden ist57. Eine Gefahr könnte daher allenfalls mit einer im Einzelfall vorliegenden Beeinträchtigung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs begründet werden, wobei jedoch der Dauerparker im Regelfall nicht als Störer anzusehen wäre, weil er nicht die letzte Ursache für das Entstehen der Gefahr gesetzt hat. Folglich müsste die Behörde und nicht der Dauerparker die Abschleppkosten tragen58. Mit der Frage der Bekanntgabe des Halte- bzw. Parkverbots gegenüber dem ortsabwesenden Dauerparker wird also letztlich über das Kostenrisiko einer Abschleppmaßnahme entschieden.

Nun verbietet die StVO keineswegs das Parken auf unbestimmte Zeit59, so dass allein aus dem Umstand des Dauerparkens kein pflichtwidriges Verhalten hergeleitet werden kann. Dennoch leuchtet es ein, dass niemand sein Fahrzeug unbegrenzt lange im öffentlichen Verkehrsraum abstellen darf, ohne sich über etwaige Veränderungen der Verkehrssituation zu informieren oder gegebenenfalls das Kostenrisiko einer Abschleppmaßnahme tragen zu müssen. Denn es können stets Straßenbauarbeiten oder Veranstaltungen anstehen, die von dem parkenden Fahrzeug behindert würden. Den zuständigen Behörden muss es in diesen Fällen ermöglicht werden, in effizienter Weise gegenüber dem jeweiligen Verkehrsteilnehmer (auch der ruhende Verkehr ist Verkehr im Sinne der StVO) straßenverkehrsrechtliche Anordnungen zu treffen. Das damit angesprochene Bekanntgaberisiko darf weder einseitig zu Gunsten noch zu Lasten des Betroffenen verteilt werden. Da es in diesem Sinne wenig effizient wäre, wenn der Dauerparker in kürzesten Zeiträumen zu seinem Fahrzeug zurückkehren müsste, um sich von der fortbestehenden Abwesenheit von Verkehrszeichen zu überzeugen, erscheint die Annahme einer Bekanntgabe der Verkehrsregelung gegenüber dem Ortsabwesenden unmittelbar mit dem Aufstellen des Verkehrsschildes unangemessen60. Gleiches würde aber umgekehrt gelten, wenn man die Möglichkeit der nachträglichen Bekanntgabe von Verkehrszeichen überhaupt verneinen wollte.

Beiden Interessen kann mit dem bereits oben angesprochenen Ansatz Rechnung getragen werden, der für die Bekanntgabe von Verkehrszeichen die für den Zugang von Willenserklärungen im Zivilrecht entwickelten Grundsätze heranzieht. Ausgegangen wird dabei von der Überlegung, dass es sich bei Verwaltungsakten generell um empfangsbedürftige Willenserklärungen handelt61. Der daraus für sonstige Verwaltungsakte entwickelte Bekanntgabebegriff lässt sich nun auch für Verkehrszeichen heranziehen und der besonderen Situation anpassen: Ein schriftlicher Verwaltungsakt ist - in Übereinstimmung mit den im Zivilrecht geltenden Grundsätzen - bekanntgegeben, wenn bei gewöhnlichem Verlauf und normaler Gestaltung der Verhältnisse mit der Kenntnisnahme durch seinen Adressaten gerechnet werden kann62. Dies gilt selbst dann, wenn der Empfänger verreist ist. Da es für die Bekanntgabe nur auf die Möglichkeit der Kenntnisnahme im Normalfall ankommt, hat der Betroffene während einer urlaubsbedingten Abwesenheit selbst dafür Sorge zu tragen, dass ihn die in seinen Briefkasten eingeworfene Sendung tatsächlich erreicht63.

Überträgt man diese Grundsätze auf die Bekanntgabe von Halte- und Parkverboten, so ist danach zu fragen,

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wann für den Verkehrsteilnehmer nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge die Möglichkeit der Kenntnisnahme bestand. Man kann das im öffentlichen Verkehrsraum abgestellte Fahrzeug gleichsam als „Briefkasten“64 des Betroffenen in Bezug auf die später angeordneten Verkehrsregelungen betrachten, hat dabei allerdings zu berücksichtigen, dass sich das Fahrzeug im Gegensatz zum echten Briefkasten nicht unmittelbar an der Wohnung des Betroffenen befindet und im Normalfall auch nicht damit gerechnet werden kann, dass es von ihm täglich benutzt wird. Im Regelfall wird man jedoch davon ausgehen dürfen, dass der Fahrer alle paar Tage sein Fahrzeug aufsucht65. Versäumt er dies, wird ihm die Verkehrsregelung - nicht anders als eine in den Wohnungsbriefkasten eingeworfene Sendung - dennoch bekannt gegeben. Befindet er sich im Urlaub oder im Krankenhaus66, ändert das an der Bekanntgabe nichts, weil das Versäumnis hier ebenso in den Verantwortungsbereich des Betroffenen fällt, wie wenn er während seiner Abwesenheit nicht für eine Weiterleitung der in seinem Briefkasten befindlichen Post sorgt.

Eine derart typisierende Betrachtungsweise, wie sie jetzt auch vom BVerwG vorgenommen wird, sieht sich in der Literatur allerdings dem Einwand mangelnder Bestimmtheit ausgesetzt. Nur der Gesetz- und Verordnungsgeber könne einen entsprechenden Bekanntgabebegriff für Verkehrszeichen normieren, nicht aber die Rechtsprechung67. Dieser Einwand ist nicht berechtigt, wenn man erkennt, dass es sich bei der neuen Entscheidung des BVerwG um nichts anderes als die Übertragung des für sonstige - schriftliche - Verwaltungsakte in ständiger Rechtsprechung vertretenen Bekanntgabebegriffs auf Verkehrszeichen handelt. Es wäre im Gegenteil nicht einzusehen, wenn für die öffentliche Bekanntgabe des Massenverwaltungsakts Verkehrszeichen strengere Anforderungen gelten würden als für die individuelle Bekanntgabe eines schriftlichen Verwaltungsakts gegenüber einem Ortsabwesenden, wo ebenfalls die Möglichkeit der Kenntnisnahme für ausreichend erachtet wird.

2. Bekanntgabe gegenüber dem Halter

Zunächst ist klarzustellen, dass die Bekanntgabe gegenüber dem Halter des Kfz - anders als beim Fahrer - nicht zwingend für eine Überwälzung der Abschleppkosten auf den Halter erforderlich ist. Hat nämlich ein vom Halter verschiedener Fahrer das Fahrzeug abgestellt und war zu diesem Zeitpunkt das Halte-/Parkverbotsschild bereits vorhanden oder muss der Fahrer die spätere Aufstellung nach den soeben herausgearbeiteten Kriterien als Bekanntgabe gegen sich gelten lassen, können die Abschleppkosten dem Halter als Kosten eines Sofortvollzugs oder einer unmittelbaren Ausführung auferlegt werden68. Weil die in dem Verkehrsschild verkörperte Regelung dem Fahrer wirksam bekanntgegeben worden ist, liegt im Gegensatz zu den unter IV 1 behandelten Fällen eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit als Grundlage einer Verwaltungsvollstreckung ohne Grundverwaltungsakt vor69. Für deren Beseitigung kann der Halter zwar nicht als Verhaltens-, wohl aber als Zustandsstörer herangezogen werden70. Der Unterschied zur Lösung in BVerwGE 102, 316 (Ersatzvornahme gegenüber dem Halter), besteht allerdings darin, dass die Polizeigesetze der Länder an einen Sofortvollzug oder eine unmittelbare Ausführung regelmäßig qualifizierte Anforderungen stellen, die nicht in jedem Fall erfüllt sind. Deshalb soll hier zusätzlich der Frage nachgegangen werden, ob auch die Annahme einer durch Ersatzvornahme zu vollstreckenden Grundverfügung gegenüber dem ortsabwesenden Halter in Betracht kommt.

Während ein Teil der Rechtsprechung und Literatur eine Bekanntgabe von Verkehrszeichen gegenüber dem vom Fahrer verschiedenen Kfz-Halter ablehnt71, wird sie von BVerwGE 102, 316, nunmehr befürwortet: Der Halter sei als Inhaber der tatsächlichen Gewalt über das Fahrzeug Verkehrsteilnehmer und damit Adressat der Verkehrsregelungen72.

Zutreffend und mit dem hier entwickelten Ansatz zur Bekanntgabe von Verkehrszeichen übereinstimmend erweist sich der jetzt vom BVerwG eingeschlagene Weg. Da der ruhende Verkehr zum Verkehr im Sinne der StVO gehört, kommt der Halter als Verkehrsteilnehmer in Betracht. Wie das OVG Koblenz73 herausgearbeitet hat, gehört zum Begriff der Teilnahme am Verkehr nicht notwendig die Straßenbenutzung in eigener Person; vielmehr kommt es entscheidend darauf an, ob der außerhalb des Verkehrsraums Handelnde zu einem unmittelbaren Einwirken auf den Verkehrsvorgang in der Lage ist. Eben deshalb wird als verantwortlicher Verkehrsteilnehmer auch der Halter als Inhaber der tatsächlichen Gewalt über das Fahrzeug angesehen, wenn sein unbesetzt im öffentlichen Verkehrsraum stehendes Fahrzeug auf den Verkehr einwirkt74.

Anerkennt man in Übereinstimmung mit der neuen Rechtsprechung des BVerwG die Eigenschaft des Halters als Verkehrsteilnehmer, ist dieser potenzieller Adressat von Verkehrszeichen. Es bleiben dann nur noch die konkreten Anforderungen an die Bekanntgabe zu präzisieren: Sofern der Halter - wie im Fall BVerwGE 102, 316 - mit dem Fahrer identisch ist, gelten für ihn die zuvor dargelegten Grundsätze über die Bekanntgabe von Verkehrszeichen gegenüber dem Fahrer. Der Sachverhalt gab daher im Grunde keinen Anlass, zu der hier untersuchten Frage der Bekanntgabe gegenüber einem vom Fahrer verschiedenen Halter Stellung zu nehmen. Aufschlussreicher ist insoweit die vom BVerwG in Bezug genommene Entscheidung des OVG Koblenz75. Danach soll eine Bekanntgabe gegenüber dem Halter jedenfalls dann vorliegen, wenn diesem bekannt war, wo das Fahrzeug abgestellt ist. Denn in

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diesem Fall habe er die Möglichkeit besessen, das Fahrzeug aus dem Parkverbot zu entfernen. Die Bekanntgabe sei aber möglicherweise dann ausgeschlossen, wenn der Halter die tatsächliche Gewalt über das Fahrzeug deshalb verliert, weil das Kfz einem Dritten für längere Zeit zur Alleinbenutzung überlassen wird und dieser es in Abwesenheit des Halters ohne dessen Kenntnis kurzzeitig verkehrswidrig abstellt.

Auch hier lassen sich die für den Zugang von Willenserklärungen im Zivilrecht entwickelten Grundsätze heranziehen, um eine sachgerechte Verteilung des Bekanntgaberisikos zu erreichen. Wenn das Fahrzeug als Empfangsstation („Briefkasten“) für an den Fahrer gerichtete Verkehrszeichen betrachtet werden kann (oben IV 1), dann erscheint es folgerichtig, den Fahrer als Empfangsboten („Empfangsstelle“76) des Halters anzusehen. Empfangsbote ist im Zivilrecht derjenige, der vom Empfänger zur Entgegennahme von Erklärungen bestellt ist oder nach der Verkehrsanschauung zur Übermittlung als geeignet und ermächtigt zu gelten hat77. Bei Aushändigung an einen Empfangsboten geht die Erklärung dem Empfänger zu, sofern und sobald dieser unter normalen Verhältnissen von ihr Kenntnis nehmen kann78, das heißt zu dem Zeitpunkt, in dem nach regelmäßigem Verlauf der Dinge die Weiterleitung an den Adressaten zu erwarten ist79.

Bei Heranziehung dieser Grundsätze ist klar, dass ein Verkehrszeichen dem Halter dann nicht bekannt gegeben wird, wenn das Fahrzeug abhanden gekommen ist. Denn der Dieb ist keinesfalls Empfangsbote im vorgenannten Sinn. Hat der Halter sein Fahrzeug hingegen verliehen (z.B. an Familienmitglieder oder Bekannte), wird man diese Personen für die Zwecke der Bekanntgabe als nach der Verkehrsanschauung ermächtigt ansehen können, die im Verkehrszeichen liegende Regelung an den Halter weiterzuleiten. Nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge ist mit einer Weiterleitung zu rechnen, sobald das Fahrzeug dem Halter zurückgegeben wird. Denn der Fahrer wird dem Halter hier mitteilen, wo das Fahrzeug steht. Befindet es sich im Halteverbot, kann davon ausgegangen werden, dass der Fahrer den Halter darüber ebenfalls informiert. Eine Bekanntgabe an den Halter ist deshalb schon im Moment der Rückgabe anzunehmen und nicht erst nach Ablauf der zuvor unter IV 1 genannten Frist von einigen Tagen, die sich aus der eigenen Nachschauobliegenheit des Fahrers bzw. Halters ergibt. Diese wird nur in den Fällen der Wanderschilder relevant, in denen die Aufstellung des Verkehrszeichens nach dem Abstellen des Kfz durch einen vom Halter verschiedenen Fahrer erfolgt. Sobald der Halter nach Kenntnis des Standorts wieder Inhaber der tatsächlichen Gewalt über das Fahrzeug ist, fällt das Bekanntgaberisiko gemäß den vorgenannten Kriterien in seinen eigenen Verantwortungsbereich.

Keine Bekanntgabe gegenüber dem Halter liegt nach dem hier vertretenen Ansatz vor, wenn das Fahrzeug von dem Entleiher während einer Unterbrechung der Fahrt irgendwo kurzfristig im Parkverbot abgestellt und dort abgeschleppt wird. Denn in einem solchen Fall ist nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge nicht damit zu rechnen, dass die Verkehrsregelung dem Halter bereits vor dem Abschleppen übermittelt worden ist. Dieser hat zudem keine Möglichkeit, auf den Verkehrsvorgang (z.B. durch Anweisungen an den Fahrer) einzuwirken, so dass er in der konkreten Situation nicht als Verkehrsteilnehmer angesehen werden kann. Dabei kommt es entgegen der vom OVG Koblenz80 angedeuteten Auffassung nicht darauf an, ob das Fahrzeug dem Entleiher für einen kürzeren oder längeren Zeitraum zur Alleinbenutzung überlassen wurde. Es kann rechtlich keinen Unterschied machen, ob das Fahrzeug zum Beispiel eine Stunde nach Antritt einer Tagesfahrt oder nach Antritt einer Urlaubsreise verbotswidrig abgestellt wird. In beiden Fällen bestand für den Halter weder eine Möglichkeit, auf den Verkehrsvorgang als Inhaber der tatsächlichen Gewalt einzuwirken, noch war mit einer Weiterleitung der Verkehrsregelung an ihn zu rechnen. Mangels Bekanntgabe kommt daher eine Ersatzvornahme gegenüber dem Halter nicht in Betracht. Eine Pflicht zur Tragung von Abschleppkosten kann sich in derartigen Fällen nur aus den zuvor genannten Grundsätzen eines Sofortvollzugs oder einer unmittelbaren Ausführung ergeben.

V. Zusammenfassung

Verkehrszeichen werden nicht schon mit dem Aufstellen an jeden potenziellen Verkehrsteilnehmer bekannt gegeben. Die gegenteilige Rechtsprechung des VGH Kassel, die ein Jahr nach Aufstellen des Verkehrszeichens jegliche Widerspruchsmöglichkeit für die Betroffenen verneint, stellt eine Fehlinterpretation von BVerwGE 102, 316, dar. Sie ist dogmatisch und verfassungsrechtlich nicht haltbar.

Die Bekanntgabe erfolgt, sobald ein Verkehrsteilnehmer konkret von der Verkehrsregelung betroffen ist. Hierfür können die im Zivilrecht für den Zugang von Willenserklärungen entwickelten Grundsätze herangezogen werden. Danach ist ausreichend, dass der Verkehrsteilnehmer die Möglichkeit der Kenntnisnahme hatte; auf eine tatsächliche Wahrnehmung des Verkehrszeichens kommt es nicht an.


*Der Autor Bitter ist Wissenschaftlicher Assistent und Habilitant am Institut für Handels- und Wirtschaftsrecht der Universität Bonn (Lehrstuhl Prof. Dr. Karsten Schmidt); der Autor Konow ist dort Wissenschaftlicher Mitarbeiter (www.jura.uni-bonn.de/institute/handelsr/ handelsr.html).

1Deutlich VGH Kassel, NJW 1999, 2057, m. Anm. Rinze, NZV 1999, 399; zurückhaltender noch VGH Kassel, NJW 1999, 1651 (1652): „Dies … kann folgerichtig wohl nicht ohne Auswirkung auf den Lauf der Jahresfrist für die Einlegung des Widerspruchs gegen Verkehrszeichen bleiben, …“.

2So VGH Kassel, NJW 1999, 2057 im 1. Ls.

3Eine Ausnahme will VGH Kassel, NJW 1999, 2057, nur für den Fall zulassen, dass eine Verkehrsregelung ohne Änderung des sie verkörpernden Verkehrszeichens inhaltlich geändert wird, insb. wenn eine versuchsweise eingeführte Verkehrsbeschränkung als dauerhafte Regelung angeordnet wird (2. Ls).

4Vgl. den 1. Ls von VGH Kassel, NJW 1999, 2057.

5VG Hamburg, Beschl.v. 14. 4. 1999 - 5 VG 833/99; offen allerdings OVG Hamburg, NordÖR 1999, 445, im Verfahren auf Zulassung der Beschwerde.

6Deutlich P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Aufl. (1998), § 35 Rdnr. 244; Klenke, NWVBl 1994, 288 (290); i. E. wohl auch Hansen/Meyer, NJW 1998, 284 (285); Erichsen/Hörster, Jura 1997, 659 (665); Hendler, JZ 1997, 782; a.A. allerdings Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl. (2000), § 35 Rdnr. 107; Kopp/Schenke, VwGO, 11. Aufl. (1998), Anh. § 42 Rdnr. 36, u. § 70 Rdnr. 6a; Koch/Niebaum, JuS 1997, 312 (313f.); Rinze, NZV 1999, 399 (400); vgl. auch Mehde, NJW 1999, 767 (768), der in der Entscheidung des BVerwG zwar keine Änderung der Bekanntgabedefinition erblickt, aber eine Fortentwicklung im Sinne der Rspr. des VGH Kassel befürwortet.

7So auch Rinze, NZV 1999, 399 (400).

8BVerwGE 27, 181 (183) = NJW 1967, 1627.

9BVerwGE 59, 221 = NJW 1980, 1640; BVerwGE 102, 316 (318) = NJW 1997, 1021 (1022); OVG München, NJW 1990, 2835; VGH Mannheim, NJW 1991, 1698; VGH Kassel, NJW 1992, 5; NJW 1999, 1651; NJW 1999, 2057.

10Kopp/Ramsauer (o. Fußn. 6), § 35 Rdnrn. 107f.; Kopp/Schenke (o. Fußn. 6), Anh. § 42 Rdnr. 36; P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs (o. Fußn. 6), § 35 Rdnr. 241; Henneke, in: Knack, VwVfG, 6. Aufl. (1998), § 35 Rdnr. 6.2; Maurer, Allg. VerwR, 12. Aufl. (1999), § 9 Rdnr. 36; Ule, VerwProzessR, 9. Aufl. (1987), S. 184; Manssen, DVBl 1997, 633; Erichsen/Hörster, Jura 1997, 659 (665); zweifelnd noch Obermayer, VwVfG, 2. Aufl. (1990), § 35 Rdnrn. 189-195, 253; nunmehr ausdr. aufgegeben von Janßen, in: Obermayer, VwVfG, 3. Aufl. (1999), § 35 Rdnrn. 92, 128.

11BVerwGE 27, 181 (185) = NJW 1967, 1627 (1628).

12BVerwGE 59, 221 (226) = NJW 1980, 1640.

13OVG Münster, NJW 1990, 2385.

14BVerwGE 102, 316 (318) = NJW 1997, 1021 (1022).

15So das BVerwG in st. Rspr.; vgl. BVerwG, NJW 1978, 656 (657); NVwZ 1988, 623; a.A. nach handelt es sich um eine Sicherstellung (vgl.z.B. Geiger, BayVBl 1983, 10 [11]; Schwabe, NJW 1983, 369 [371f.]) oder um die Anwendung unmittelbaren Zwangs (vgl.z.B. Klenke, NWVBl. 1994, 288 [289]). Für die Kostentragungspflicht ist dies regelmäßig ohne Belang (vgl.z.B. § 11 II Nrn. 7, 8 NWKostO).

16Vgl.z.B. BVerwG, NJW 1978, 656 (657); bestätigt in BVerwGE 102, 316 (319) = NJW 1997, 1021 (1022); Hendler, JZ 1997, 782; Klenke, NWVBl 1994, 288.

17Bei Annahme einer unmittelbaren Ausführung bzw. eines Sofortvollzugs lassen sich die Kosten einer Abschleppmaßnahme auch ohne Grundverwaltungsakt auf den Halter abwälzen; vgl. u. IV 2.

18BVerwG, NJW 1978, 656 (657); Kopp/Schenke (o. Fußn. 6), § 80 Rdnr. 64 m.w.Nachw.

19Vgl. den Wortlaut in BVerwGE 102, 316 (318) = NJW 1997, 1021 (1022): Verkehrszeichen „äußern … ihre Rechtswirkung gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer“ (Hervorhebung durch die Verf.); darauf weisen auch Mehde, NJW 1999, 767 (768), und Rinze, NZV 1999, 399 (400), hin.

20Zutr. der Hinweis bei OVG Hamburg, NordÖR 1999, 445.

21BVerwGE 102, 316 (319) = NJW 1997, 1021 (1022).

22BVerwGE 102, 316 (319) = NJW 1997, 1021 (1022), unter Hinweis auf OVG Koblenz, AS 20, 20 (22).

23Vgl. auch OVG Hamburg, NordÖR 1999, 445: „Die Entscheidung lässt wegen der Anknüpfung an das Urteil vom 13. 12. 1979 (BVerwGE 59, 221 [226] = NJW 1980, 1640) der Auffassung Raum, dass Verkehrszeichen ihre Rechtswirkung mit der Aufstellung nicht schon gegenüber sämtlichen (gegenwärtigen und zukünftigen) Verkehrsteilnehmern als den abstrakten Adressaten der Regelung, sondern erst dem einzelnen Verkehrsteilnehmer gegenüber äußern, sobald dieser erstmalig gegenständlich betroffener Adressat der Regelung wird“.

24Vgl. auch OVG Hamburg, NordÖR 1999, 445, wonach die Folgen der öffentlichen Bekanntgabe für den Beginn der Widerspruchsfrist in BVerwGE 102, 316 = NJW 1997, 1021, nicht ausgesprochen sind.

25H. M.; vgl. statt aller Palandt/Heinrichs, BGB, 59. Aufl. (2000), § 130 Rdnr. 5.

26BVerwGE 27, 181 (183) = NJW 1967, 1627 (1628); BVerwGE 59, 221 (225) = NJW 1980, 1640.

27So die h. M.; vgl. die Nachw. bei Erichsen/Hörster, Jura 1997, 659 (665).

28Manssen, DVBl 1997, 633 (635); Henneke, in: Knack (o. Fußn. 10), § 41 Rdnr. 5.4.4.

29Vgl. auch BVerwGE 27, 181 (184) = NJW 1967, 1627 (1628); BVerwG, NJW 1978, 656.

30Verkehrsteilnehmer in diesem Sinne kann auch der Halter des Fahrzeugs sein, vgl. dazu u. IV 2.

31OVG Münster, DVBl 1977, 257 (258); BayObLG, VRS 28 (1965), 227 (228); BayObLG, NJW 1984, 2110; OLG Frankfurt, VRS 34 (1968), 308 (310); OLG Hamm, DAR 1963, 310 (311); OLG Oldenburg, VRS 35 (1968), 250; vgl. dazu auch Möhl, in: Müller, StraßenverkehrsR III, 22. Aufl. (1973), § 39 StVO Rdnr. 4.

32Vgl. Erichsen/Hörster, Jura 1997, 659 (666), in Fußn. 105. Die dort herangezogene Entscheidung BVerwGE 92, 32 (34) = NJW 1993, 1729 (1730), betrifft nicht die Frage der Bekanntgabe gegenüber einem erstmalig von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer, sondern nur den Fortbestand der bereits bekannt gegebenen Regelung: Eine Anfechtungsklage bleibt statthaft, wenn das Verkehrsschild später temporär verdeckt wird.

33Unzutr. erscheint insb. die Begründung bei Erichsen/Hörster, Jura 1997, 659 (666), in Fußn. 105, bei Verkehrszeichen sei „das Sichtbarkeitserfordernis dauerhaft erforderlich“, weil es sich um Verwaltungsakte mit Dauerwirkung handele. Für die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung ist es zwar erforderlich, dass seine Erlassvoraussetzungen dauerhaft vorliegen (vgl. Maurer [o. Fußn. 10], § 10 Rdnr. 3). Seine Wirksamkeit hängt aber nicht von seiner dauernden Sichtbarkeit ab. So würde wohl niemand auf den Gedanken kommen, eine Gewerbeuntersagung wegen Unzuverlässigkeit (= Dauerverwaltungsakt) werde außer Vollzug gesetzt, sobald der Gewerbetreibende das Untersagungsschreiben in den Papierkorb werfe und es damit nicht mehr sichtbar sei. Ebenso wird ein Parkverbot nicht nachträglich zu Gunsten des Verkehrsteilnehmers außer Kraft gesetzt, wenn es nach dem Abstellen des KfZ vorübergehend verschneit wird. Der Fahrer muss das ihm bekannt gegebene Verbot hier trotz der später fehlenden Sichtbarkeit weiter gegen sich gelten lassen.

34So auch Rinze, NZV 1999, 399 (400).

35BVerfGE 10, 264 (268) = NJW 1960, 331; BVerfGE 37, 93 (96); BVerfGE 40, 237 (256) = NJW 1976, 34 (36); Maunz/Dürig/Schmidt-Aßmann, GG, Losebl. (Stand: 36. Lfg. 1999), Art. 19 IV Rdnr. 233.

36In Ausnahmefällen kann dem Bürger allerdings ein Anspruch auf Aufrechterhaltung der Widmung oder Umwidmung zustehen, z.B. dem Anwohner, dessen einzige Verbindung mit dem öffentlichen Straßennetz durch Einziehung entwidmet wird, aus Art. 14 GG.

37BVerwGE 32, 222 (225) = JuS 1970, 95; BVerwG, NJW 1988, 432 (433); Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 5. Aufl. (2000), Art. 2 Rdnrn. 6a und 13.

38Für die Eröffnung des Schutzbereichs des Art. 19 IV GG kommt es lediglich auf die Möglichkeit einer Rechtsverletzung an; ob der Betroffene tatsächlich in seinen Rechten verletzt ist, soll ja gerade im Gerichtsverfahren geklärt werden, vgl. v. Münch/Kunig/Krebs, GG, 5. Aufl. (2000), Art. 19 Rdnr. 61.

39Vgl. die Nachw. in Fußn. 37; anders wird man nur entscheiden können, wenn das Verkehrszeichen den Inhalt der Widmung lediglich wiederholt: Ein Fußgängerverbotsschild auf der Autobahn kann z.B. niemanden in seinem Recht auf Gemeingebrauch verletzen.

40BVerfGE 60, 253 (270) = NJW 1982, 2425 (2430); Maunz/Dürig/Schmidt-Aßmann (o. Fußn. 35), Art. 19 IV Rdnr. 237.

41Maunz/Dürig/Schmidt-Aßmann (o. Fußn. 35), Art. 19 IV Rdnr. 237; Erichsen/Knoke, NVwZ 1983, 185 (192).

42Maunz/Dürig/Schmidt-Aßmann (o. Fußn. 35), Art. 19 IV Rdnr. 238.

43A.A. Manssen, DVBl. 1997, 633 (636), der eine Bestandskraft von Verkehrsregelungen insgesamt ablehnt. Da die Bestandskraft jedoch das Charakteristikum eines jeden Verwaltungsakts darstellt, ist diese Auffassung abzulehnen.

44BVerwG, NJW 1988, 2752 (2753); NVwZ 1993, 884 (885); Hufen, VerwProzessR, 4. Aufl. (2000), § 14 Rdnr. 77; Redeker/v. Oertzen, VwGO, 12. Aufl. (1997), § 42 Rdnr. 15.

45Eine solche Praxis erwartet Rinze, NZV 1999, 399 (400), für den Fall, dass sich die neue Bekanntgabedefinition des VGH Kassel durchsetzen sollte.

46Vgl. dazu schon o. II m. Nachw. in Fußn. 16.

47Ob es sich dabei um eine Sicherstellung, eine Ersatzvornahme oder um die Anwendung unmittelbaren Zwangs handelt, ist umstritten; vgl. die Nachw. in Fußn. 15.

48Diese obskure Rechtsfolge wurde bereits von Hansen/Meyer, NJW 1998, 284 (285), gesehen, die der Sache nach allerdings den Bekanntgabebegriff des VGH Kassel befürworten. Sie versuchen ihr dadurch zu entkommen, dass sie nur bei der Verbotsverfügung eine universelle öffentliche Bekanntgabe annehmen. Die Gebotsverfügung werde dagegen individuell demjenigen gegenüber bekanntgegeben, der gegen die Verbotsverfügung verstößt. Diese Rechtskonstruktion erscheint indes reichlich gekünstelt. Sie zeigt, dass der neue Bekanntgabebegriff des VGH Kassel insgesamt unbrauchbar ist. Unrichtig daher auch Mehde, NJW 1999, 767 (768), der ausdrücklich auch eine universelle öffentliche Bekanntgabe der Gebotsverfügung befürwortet.

49BVerwGE 102, 316 (319) = NJW 1997, 1021 (1022); OVG Münster, NJW 1990, 2835.

50Vgl. auch OVG Münster, NJW 1990, 2835, wonach es darauf ankommt, ob das Verkehrszeichen „bei Anlegung des von § 1 StVO vorgegebenen Sorgfaltsmaßstabs ohne weiteres wahrgenommen werden konnte“.

51So der kl. Vortrag im Fall von OVG Münster, NJW 1990, 2835.

52So z.B. auch im Fall OVG Münster, NVwZ-RR 1996, 59.

53BVerwGE 102, 316 (319) = NJW 1997, 1021 (1022). Das BVerwG diskutiert diese Sachverhaltskonstellation allerdings als Bekanntgabe gegenüber dem Halter; vgl. dazu sogleich u. IV 2.

54OVG Münster, NVwZ-RR 1996, 59.

55VGH Mannheim, NJW 1991, 1698; OVG Hamburg, DÖV 1995, 783; Koch/Niebaum, JuS 1997, 312 (314f.); Michaelis, JA 1997, 374 (376).

56Zur Abgrenzung vgl. Knemeyer, Polizei- und OrdnungsR, 8. Aufl. (2000), Rdnr. 359.

57Zutr. Klenke, NWVBl 1994, 288 (289); anderes gilt bei der Heranziehung des Halters, wenn dem Fahrer das Verbot bekannt gegeben wurde (dazu u. IV 2).

58So auf der Basis ihrer Ansicht konsequent Koch/Niebaum, JuS 1997, 312 (315ff.).

59Eine Ausnahme besteht insofern nur für Kraftfahrzeuganhänger ohne Zugfahrzeug gem. § 12 IIIb StVO.

60BVerwGE 102, 316 (319f.) = NJW 1997, 1021 (1022), nimmt demgegenüber an, dass eine Bekanntgabe gegenüber dem Inhaber der tatsächlichen Gewalt über das parkende Fahrzeug schon im Zeitpunkt des Aufstellens des Wanderschildes erfolgt. Der Zeitraum bis zur regelmäßigen Kenntnisnahme des Wanderschildes durch den Verkehrsteilnehmer wird nur im Rahmen der Verhältnismäßigkeit der Abschleppmaßnahme diskutiert.

61Vgl. Kopp/Ramsauer (o. Fußn. 6), § 35 Rdnr. 4; Maurer (o. Fußn. 10), § 9 Rdnr. 69.

62BVerwGE 10, 293 = NJW 1960, 1587; Kopp/Ramsauer (o. Fußn. 6), § 41 Rdnrn. 13f.; Redeker, NVwZ 1986, 545 (548).

63Vgl. dazu BVerwG, MDR 1977, 431; Kopp/Ramsauer (o. Fußn. 6), § 41 Rdnr. 14.

64In der Terminologie ähnlich, aber im Ergebnis anders Koch/Niebaum, JuS 1997, 312 (314) (Fahrzeug als „Empfangsbote“).

65Bei der Fristbestimmung können die von der Rspr. zur Frage der Verhältnismäßigkeit entwickelten Ansätze herangezogen werden, wobei die Verfasser der Lösung des OVG Hamburg, DÖV 1995, 783, (drei Werktage und ein Sonn- und Feiertag), zuneigen; anders BVerwGE 102, 316 (320) = NJW 1997, 1021 (1022) (vier Tage); OVG Münster, NJW-RR 1996, 59 (zwei Tage). Nach der hier vertretenen Lösung ist sodann zusätzlich zur Frage der Bekanntgabe des Verkehrszeichens eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit des Abschleppens erforderlich.

66So der Sachverhalt in BVerwGE 102, 316 (317) = NJW 1997, 1021.

67Koch/Niebaum, JuS 1997, 312 (315).

68Vgl. VGH Mannheim, VBlBW 1996, 32.

69So jedenfalls VGH Mannheim, VBlBW 1996, 32.

70So VGH Mannheim, VBlBW 1996, 32 (33); vgl. auch VGH München, NJW 1979, 2631; Koch/Niebaum, JuS 1997, 312 (316). Dieser Ansatz leitet die Zustandshaftung des Halters letztlich aus einem Verstoß gegen die durch Verwaltungsakt (Verkehrszeichen) begründete Verhaltenspflicht des Fahrers her. Ob diese Begründung mit den Grundlagen polizeirechtlicher Verantwortlichkeit vereinbar ist, mag bezweifelt werden. Eine eingehende Prüfung würde jedoch den Rahmen dieses auf Bekanntgabefragen ausgerichteten Beitrags sprengen.

71OVG Bremen, DAR 1986, 159; VGH Mannheim, VBlBW 1996, 32; Götz, NVwZ 1994, 652 (661); Dienelt, NVwZ 1994, 664 (665); Gersdorf, NVwZ 1995, 1086.

72BVerwGE 102, 316 (319) = NJW 1997, 1021 (1022), unter Hinw. auf OVG Koblenz, AS 20, 20 (22) (vgl. dazu schon o. II); dem BVerwG zust. Erichsen/Hörster, Jura 1997, 659 (666); Hendler, JZ 1997, 782; ähnl. auch OVG Koblenz, NVwZ-RR 1989, 299: Dem Halter sei im Falle eines Halte- oder Parkverbots das Belassen des Fahrzeugs im Verkehrsraum als eigenes Verhalten zuzurechnen.

73OVG Koblenz, AS 20, 20 (22).

74So zutr. OVG Koblenz, AS 20, 20 (22), allerdings mit fehlerhaftem Hinweis auf VGH München, NJW 1979, 2631, wo zur Frage der Verkehrsteilnehmereigenschaft des Halters nicht Stellung genommen wird.

75OVG Koblenz, AS 20, 20 (22f.).

76Vgl. Förschler, in: MünchKomm I, 3. Aufl. (1993), § 130 Rdnr. 16, unter Hinw. auf Dilcher, AcP 154 (1955), 120 (129) („Empfangsvorkehrung“).

77BGH, NJW 1951, 313; RGZ 60, 334 (337); Förschler, in: MünchKomm (o. Fußn. 76), § 130 Rdnr. 16; Jauernig, BGB, 9. Aufl. (1999), § 130 Rdnr. 7; Palandt/Heinrichs (o. Fußn. 25), § 130 Rdnr. 9.

78BGHZ 136, 314 (324) = NJW 1997, 3437 (3439) = LM H. 4/1998 § 9 (Bb) AGBG Nr. 43; Jauernig (o. Fußn. 77), § 130 Rdnr. 7; Palandt/Heinrichs (o. Fußn. 25), § 130 Rdnr. 9.

79BGH, NJW-RR 1989, 758; Palandt/Heinrichs (o. Fußn. 25), § 130 Rdnr. 9.

80OVG Koblenz, AS 20, 20 (22f.).