Radfahren schont das Klima. Radfahren ist leise. Radfahren erzeugt keine Abgase. Radfahren hält gesund. Wer mit dem Rad einkauft, stärkt den Handel im Ort und trägt zur wirtschaftlichen Belebung der Innenstadt bei. Es gibt viele Gründe, das Radfahren zu fördern. Das hat die Politik auch schon lange erkannt, aber selten umgesetzt.
Eine der Möglichkeiten zur Förderung ist, Radfahrer von Einbahnregelungen auszunehmen. Radverkehr ist umwegempfindlich. Stehen lange Umwege an und wird der Weg dadurch zu umständlich oder zu weit, bleibt das Rad stehen und ein anderes, umweltschädlicheres Verkehrsmittel wird an seiner Stelle genutzt.
Dabei gibt es in den meisten Fällen keinen sachlichen Grund, den Radverkehr auch der Verkehrsbeschränkung "Einbahn" zu unterwerfen. Weder Verkehrsberuhigung noch zu enge Straßen - die häufigsten Gründe für Einbahnregelungen - betreffen das Radfahren. Radverkehr hat keine störenden Auswirkungen und braucht nur wenig Platz.
Auch die Unfallzahlen sprechen für Radverkehr gegen die Einbahnrichtung. In zahlreichen Städten wurden seit Jahrzehnten nur positive Erfahrungen gemacht. Die Unfallzahlen in Radverkehr gehen durch "Freigabe der Einbahnstraße in Gegenrichtung" sogar zurück (vgl. Alrutz, Hein: Sicherheit des Radverkehrs in Erschließungsstraßen, BASt, 1997). Die Erfahrungen haben auch gezeigt, dass sich die Verkehrsteilnehmer selbst auf engstem Raum arrangieren. Dazu genügen gelegentliche Ausweichstellen.
Der Verordnungsgeber hat diese Erkenntnisse in seiner Novelle vom September 2009 berücksichtigt und die Voraussetzungen für die Einbahnstraßenfreigabe stark vereinfacht (vgl. Verwaltungsvorschrift zu Zeichen 220 StVO - in der geltenden Fassung vom 2009-10-01, BAnz. Nr. 110 vom 2009-07-29, S. 2598):
Die Verwaltungsvorschrift zu Zeichen 220 nennt zwar eine "Kann-Regelung", stellt also die Freigabe in das Ermessen. Dieses Ermessen findet aber seine Beschränkung in § 45 Abs. 9 StVO, der Verbote des fließenden Verkehrs nur dort erlaubt, wo "auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt".
Den fließenden Radverkehr in einer Richtung zu verbieten ist damit zwingend nur bei Vorliegen einer besonderen, das allgemeine Verkehrsrisiko übersteigenden Gefahrenlage zulässig. Da Radverkehr in beiden Richtungen regelmäßig die Unfallzahlen nicht erhöht, sondern sogar senkt, wäre für eine Einbahnstraße unter Einbeziehung des Radverkehrs im Einzelfall nachzuweisen, dass hier wirklich eine atypische, besondere Situation gegeben ist. Ansonsten ist das Verbot des Radverkehrs in einer Fahrtrichtung rechtlich unzulässig.
Jede Einbahnstraße im innerörtlichen Gebiet ist darauf zu untersuchen, ob es gewichtige, belegbare Gründe gibt, den Radverkehr in die Einbahnregelung mit einzubeziehen. Können diese Gründe (z.B. eine unübersichtliche, kurvige Streckenführung, Fahrbahnbreiten, bei denen Autos und Fahrräder im Gegenverkehr physikalisch nicht aneinander vorbei kämen, ohne dass es auf viele hundert Meter eine Ausweichstelle gäbe) nicht aufgezeigt werden, ist in der Einbahnstraße das Radfahren in beiden Richtungen zuzulassen. Einbahnstraßen, die auch Radfahrer nur in Einbahnrichtung befahren müssen, stellen den rechtlichen Ausnahmefall dar.
So entsteht ein dichtes Netz von Verbindungen und Abkürzungen, welches die Nutzung des Fahrrads effektiv fördert.
Darüber hinaus sind "unechte Einbahnstraßen" möglich. Auch für sie liegen gute Erfahrungen und Untersuchungen vor, die zeigen, dass es dort nicht zu vermehrten Unfällen kommt (z.B. Alrutz u.a.: Radfahrer in unechten Einbahnstraßen, Münster, 1992). Sie sind wesentlich einfacher umzusetzen, weil sie nicht der Verwaltungsvorschrift zu Zeichen 220 unterliegen.
Erstellt von
Bernd Sluka am 2010-05-27
zuletzt geändert am 2010-06-21
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